Von Männern, die „normal“ sein wollen – Ruth Ortlinghaus in „Rheinische Post“

In sprachlicher und atmosphärischer Dichte wird jeweils eine tiefenpsychologische Spannung aufgebaut, die die ganze Tragik an Unsicherheit, Unverständnis und Feindseligkeit, an Selbstzweifeln, an erschütternder Angst vor der ächtenden Entdeckung sichtbar macht…

Rheinische Post, 18.07.2011

Von Männern, die „normal“ sein wollen

VON RUTH ORTLINGHAUS

HEILIGENHAUS Musik und Literatur sind die künstlerischen Schwerpunkte im Leben von Sabine Huttel. Sie spielt in unterschiedlichen Ensembles Violine. Literatur begleitete die studierte Germanistin und Musikwissenschaftlerin ein Leben lang. Ebenfalls die Lust am Fabulieren. Nun, im Vorruhestand, wurde die in Isenbügel lebende und in Wiesbaden gebürtige Pädagogin zur Autorin. „Mein Onkel Hubert“ heißt ihr 2009 erschienenes Romandebüt. Es ist das sensible Psychogramm eines zwölfjährigen Mädchens mit seinen Hoffnungen, Illusionen und einer beklemmenden Einsamkeit. Glänzend erzählt und sparsam angedeutet wird die Beziehung zu einem älteren Mann, einer multiplen Persönlichkeit, wo das „Unsagbare“ geschieht, ein le- diglich angedeuteter sexueller Missbrauch durch einen sich immer wieder zurückziehenden Außenseiter. Von vorwiegend jüngeren Männern handelt der gerade erschienene Erzählband „Slalom“. Die Protagonisten sind anders als die vielen, sie sind homosexuell.

„Mein Mann und ich haben schwule Freunde und erleben hautnah, unter welchen psychischen Spannungen so ein Leben des Andersseins steht, weil man in elementaren Aspekten der Existenz nicht selbstverständlich akzeptiert wird“, erläutert Huttel.

Die Autorin betont: „Es herrscht eine Pseudoliberalität, die zwar homosexuelle Promis anerkennt, aber in der Mitte der Gesellschaft, wo man einen Beruf, ein Familienleben haben will, ist es äußerst schwierig.“

Die Autorin versetzt sich nach vielen Gesprächen mit Betroffenen einfühlsam in die Psyche dieser Männer hinein, die „normal“ sein möchten, es auf dem Weg nach persönlichem Glück aber nicht können. In sprachlicher und atmosphärischer Dichte, eindringlich und subtil, wird jeweils eine tiefenpsychologische Spannung aufgebaut, die die ganze Tragik an Unsicherheit, Unverständnis und Feindseligkeit, an Selbstzweifeln, an erschütternder Angst vor der ächtenden Entdeckung sichtbar macht. Und das niemals spektakulär, sondern äußerst sensibel exemplifiziert an Alltagssituationen, die bewusst machen, wie klein letztlich der Unterschied zwischen Hetero- und Homosexualität ist, dass auch diese andere Art des Intimlebens auf Liebe basiert.

Virtuose Sprachschöpfungen fern aller Klischees zeigen, dass die Autorin eine Meisterin des Fabulierens und des Analysierens ist.

Der Erzählband „Slalom“ wird im September in der Dorfkirche Isenbügel vorgestellt und ist für 11,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

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